Das kleine Telephonmuseum
Wählscheiben Die Wählscheibe eines Telephons ist sein Gesicht. Hier gibt es verschieden “schöne” Makeups. Das Bild nebenan zeigt ein Email-Schild, dazu die Montage-Elemente aus nichtrostenden Materialien, damals hergestellt von einer heute noch berühmten Manufaktur in Le Locle im Schweizer Jura. Genau so wichtig ist die Funktion der Wählscheibe. Sie produziert Impulse (Stromlücken) im Zehntelsekundentakt für jede gewählte Ziffer. Hinter dem Gesicht verbirgt sich ein mechanisches Werk, je nach Fabrikat etwas ausgefeilter, präziser, dauerhafter. Das Drehen (Aufziehen) und Loslassen der Lochscheibe vor den Ziffern hat etwas sinnliches: haptische Qualitäten für den wählenden Finger, harmonische Geräusche für das Ohr.
Zenith Dies ist die klassische Wählscheibe der Schweizer Telephone seit den 1920-er-Jahren. Sie zeichnet sich aus durch langlebige Uhrmacherpräzision. Sie kommt in verschiedenen Versionen und Varianten. Alles ist primär aus Metall, einiger- massen rostfrei. Der Zahlen-Schild ist Email, die Ziffen meist weiss auf schwarz, etwas seltener schwarz auf weiss. Die Lochscheibe, wenn schwarz, ist aus hartem (wahrscheinlich) eloxiertem Aluminium, wenn glänzend, aus vernickeltem Gelbguss (Messing o.ä.). Zur Stabilisierung der Pulsfrequenz auf genau 10Hz dient eine Fliehkraft- bremse. Diese sitzt auf einer Spindelachse quer zur Hauptachse des Schaltwerks. Das Schaltwerk Type 5A* bedient den Wählimpulskontakt (J) und einen Umschaltkontakt (K). Der Aufzug hat einen Schritt mehr als die angezogene Ziffer, das bedeutet, dass der jeweils letzte Impuls der Sequenz “abgeklemmt” werden muss. Die elegante Lösung ist realisiert durch eine Nocke, die den Wählimpulskontakt einfach geschlossen wegschiebt. Das Schaltwerk Type 4A*, sehr selten mehr zu finden, ist eine frühe Version mit genau sovielen Aufzugsschritten wie der jeweilige Zifferwert. Optisch zeigt sich das in der Anordnung der Ziffern, wo die 4 oben in der Mitte prangt und die 1 horizontal genau gegenüber der Ziffer 7 sitzt. Die Fingerlöcher der Wählscheibe sind entsprechend etwas grösser. Diese Ausführung wurde bereits ab den 1930-er Jahren nicht mehr eingesetzt, denn es bestand die Möglichkeit, dass die elektromechanischen Vermittlungs- Zentralen zu rasch aufeinanderfolgend gewählte Ziffern nicht sauber auseinanderhalten konnten.
British GPO Die Datierung ist unklar. Die Anordnung der Ziffern und der obligaten Buchstaben lässt erkennen, dass hier sogar drei Auf- zugsschritte zu drehen sind bis zur Ziffer 1. So sind auch die Fingerlöcher eher klein. Die Nockenscheibe zur Betätigung des Impulskontakts wird ergänzt durch ein paar raffinierte Hebelchen, wel- che die zwei überzähligen Schritte unwirksam machen.
France PTT Französischer Standard ab den 1940-er Jahren. Verschiedene Firmen produzierten diese Wählscheiben, die ganz klar mit dem Schweizer Vorbild verwandt sind. Die Basis ist ein Stück Leichtmetallguss, das Schaltwerk weitgehend aus Eisenblech. Jüngere Exemplare haben brüchig gewordene Kunststoffteile. Die Anordnung der Ziffern und Buchstaben entspricht ungefähr den britischen Wählscheiben, die Unter- drückung der überzähligen Impulsschritte ist genau gleich gelöst wie bei Zenith.
Albiswerk (ZH) und Sodeco (GE) Weitere Schweizer Unternehmen produzierten ab den 1950-er Jahren Wählscheiben, vorne oft Kunststoff, hinten mit verschiedenen Schaltwerken. Albiswerk war von Zenith inspiriert, verwendet aber für den Impulskontakt eine Art Flügelrad. Die Fliehkraftbremse sieht etwas weniger filigran aus. Sodeco arbeitet für den Impulskontakt nach dem englischen Prinzip mit der Nockenscheibe und einem vereinfachten System für die Handhabung des überzähligen Schrittes. Die Bremse hat schön sym- metrische Backen, die durch einstellbare Federkraft zusammengehalten werden.
Alte Wählscheibe von Ericsson Das einzige Indiz für ihre Abstammung ist die zentrale Schraube auf der Lochscheibe, deren Eleganz sich von den sonst anzutreffenden Sechskantköpfen abhebt. (Info von Gerhard Fuchs) Das Schaltwerk hat eine schön lange Spindel mit kleinen Bremsbacken. Die Nockenscheibe zur Betätigung des Impulskontakts ist aus Bakelit, alles andere aus solidem Metall.
Siemens & Halske Diese Wählscheibe (V.Sa.sch.90a) stammt aus dem Wand- oder Tischapparat W28. Sie hat nur einen Aufzugsschritt für die Ziffer 1. Viel Platz und Gewicht gehört den beiden Bremsbacken des Fliehkraftreglers. Sie haben kleine Nocken, die sich an einer Messigscheibe reiben. Ihre Position auf der Spindel lässt sich mit einer Schaube fixieren. Ein einflügliges Hartpapier-Rad sitzt auf der Spindel, es betätigt den Impulskontakt. Die Mechanik zum Stoppen der Bewegung nach dem letzten Impuls besteht aus einem metallenen Knebel, der unzimperlich zwischen die Bremsbacken fährt. Ferner existiert ein Hebel, der das Betätigen der Wählscheibe bei aufgelegtem Hörer verhindert.
L.M. Ericsson Der Boden des Designerstücks “Ericofon” besteht zuerst einmal aus Wählscheibe mit Schaltwerk. Die Anordnung der Ziffern dieses Exemplars ist etwas speziell und war einige Zeit lang üblich in Schweden und Dänemark. Die Ziffer 0 produziert hier genau einen Impuls, alles ist um eins verschoben. Die Benützung in unseren Systemen funktioniert klaglos, erfordert aber rechnerische Aufmerksamkeit. Das Schaltwerk verwendet eine ähnliche Bremstrommel wie das Schweizer Sodeco-Modell. Der Impulskontakt hingegen wird von einem Flügelrad betätigt. Ein separater elektrischer Kontakt dient der Vermeidung des überzählige Wählimpulses. Dieser Kontakt ist stromkreismässig dem Impulskontakt parallelgeschaltet, öffnet beim Aufziehen der Wählscheibe und schliesst kurz nach Ablauf des letzten Schrittes.
RFT Nordhausen Diese Wählscheiben sind neueren Datums, produziert für die Telefone Typ “Variant” aus der DDR, ca. 1972. Eine der drei Notfallnummern im Zentrum der Lochscheibe zeugen vom Stasi-Regime. Im Gegensatz zu den etwas gar “billig” anmutenden RFT-Telephonapparaten ist beim Schaltwerk hoch- wertiger Kunststoff im Spiel: Nylonräder. Schön zu erkennen ist auch die Fliehkraftbremse.
Telcer (Italia) Dieses Modell findet sich seit den 70-er Jahren auf vielen italienischen Telephonen im Nostalgie- oder Retro-Look. Unverkennbar ist die Befestigung der aus Messingblech gestanzten Lochscheibe (Schraube mit grossem Sechskantkopf). Das Räderwerk und die Achslager sind aus Nylon. Der Impulskontakt wird durch ein exzentrisches Stück Nylon auf einer Achse betätigt; die zwei überzähligen Schritte verhindert ein auf dieser Achse nachlaufendes Schlepp-Hebelchen.
Das 20-er Stück von Zenith Diese Wälscheibe produziert bis zu 20 Impulse pro “Ziffer”. Dies passt überhaupt nicht ins gängige System. Auf der Hinterseite ist es eine fast normale Typ-5A-Ausführung, mit vier Nocken für den Impulskontakt. Die Bremse sorgt für langsame Bewegung zur Wahrung des Zehntelsekundentakts. Gemäss mündlicher Überlieferung wurde sie im Netz der technischen Dienste der Kreistelephondirektionen verwendet, da reichten offenbar 20 Nummern.
Uraltes Modell ca. 1920 aus Frankreich Bei dieser Wählscheibe dreht alles mit: Lochscheibe, Ziffernscheibe und das Gehäuse mit der Mechanik (Aufzugsfeder etc., Spindel mit Bremsbacken). Fix ist lediglich die Grundplatte mit den beiden Kontakten. Es datiert ungefähr von 1920, als man die bisherigen Kurbel-Telefone mit Wählscheiben nachrüstete.